Darf ich mitlachen?: Über „Dinner for one“ und Witze die man sehen muss

Über den Silvesterklassiker „Dinner for one“ kann man immer wieder schmunzeln. So richtig funktioniert das aber nur, wenn man ihn sieht. Zwar läuft der Sketch auch als Hörfilm für Blinde, aber damit habe ich so meine Probleme.

Eigentlich bin ich ja nicht für Alkohol am frühen Morgen. Aber trotzdem, heute geht es schon wieder um elf Uhr los mit Champagner, Weiß- und Portwein – und zwar reichlich. Da läuft nämlich zum ersten, aber längst nicht zum letzten mal an diesem Silvestertag „Dinner for one“.

Praktisch alle Sender zeigen diesen Sketch über den Tag verteilt. Der 90. Geburtstag von Miss Sophie läuft unter Anderem auf plattdeutsch, kölsch, schwäbisch, hessisch und sogar im Ruhrpott-Dialekt. Aber damit nicht genug: Seit nun schon einigen Jahren gibt es „Dinner for one“ auch mit Audiodeskription, also mit akkustischer Bildbeschreibung für blinde Zuschauer.

Dinner for all?

Ein großer Sieg der Gleichbehandlung. Nun sind endlich alle deutschen Sofa-Institutionen in der Inklusion angekommen: Der Tatort, der ZDF-Fernsehgarten – und auch das unvermeidliche Neujahrsritual „Dinner for one“. All diese heiligen Kühe muhen nun auch mit blindengerechtem Hörfilmton durchs barrierefreie Wohnzimmer.

Das ist auch bitter nötig. „Dinner for one“ ist einer jener Sketche, dessen Witz sich nur rein visuell erschließt. Die Szene lebt nicht vom gesprochenen Dialog. Deshalb kommt er ja auch ohne deutsche Untertitel aus, und schon in der Einleitung erklärt der Sprecher, dass die Gespräche im Grunde belanglos sind. Nebenbei: Es soll ja Leute geben, die immer noch nicht die nicht ganz stubenreine Schlusspointe von „Dinner for one“ verstanden haben, als James Miss Sophie die Treppe hinaufführt …

„James stolpert über den Tigerkopf“

Humor der nur über die Augen funktioniert, hat einen Vorteil: Er hält sich länger frisch. Es ist einfach immer wieder aufs neue zum brüllen komisch, dem immer betrunkener agierenden Butler zuzuschauen. Das ist aber auch genau das Problem: Dieser Effekt klappt auf akkustischer Ebene einfach nicht. „Das muss man sehen“, höre ich von Sehenden oft, wenn sie versuchen, mir eine visuell lustige Situation zu beschreiben und es nicht so recht vermitteln können, was daran jetzt eigentlich so komisch ist.

Ganz ohne jede Ironie: Ich finde es toll, dass „Dinner for one“ als Hörfilm angeboten wird. Doch wenn eine Stimme aus dem Off sachlich erklärt: „James stolpert über den Tigerkopf“, dann ist das nicht komisch. Das ist ein Fakt, eine Information. Daran ist nichts falsch. Auf diese Weise erfahre ich, wie das viertelstündige Dinner im Detail abläuft. Aber um wirklich mitlachen zu können, müsste ich wohl sehen, wie James es immer wieder schafft, über das verflixte Tigerfell drüberzufallen.

Lustig beschreiben oder gleich mitlachen

Ich würde ja gerne mal eine barrierefreie Fassung von „Dinner for one“ erleben, wo die Bildbeschreibung nicht ganz so bierernst gesprochen wird. Es ist Silvester, da darf doch auch mal der Hörfilmsprecher ein paar Gläschen mittrinken und dann etwas mehr aus sich rausgehen, oder nicht? Der Hörfilmton würde viele Möglichkeiten bieten, auch auf dieser Ebene ganz viel Humor reinzubringen.

Oder ich lasse mich von den Reaktionen meiner sehenden Freunde oder Familienmitglieder anstecken. Wie sich einige an jedem Silvester immer wieder neu darüber amüsieren können, hat mir den Humor von „Dinner for one“ viel nähergebracht als die professionelle Bildbeschreibung. Inzwischen brauche ich längst keinen Hörfilm mehr, um an den jeweiligen Stellen im Sketch ebenso laut zu lachen wie die sehenden Mitgucker.

Außerdem hat „Dinner for one“ überraschenderweise auch akkustisch einiges an Humorpotential. Schon allein wie James die Sprechweise der Dinnergäste immitiert – Mr. Pomeroys Fistelstimme oder Mr. Winterbottoms joviales Lachen -, mitten im immer gleichen Ablauf plötzlich vernehmlich rülpst und von Runde zu Runde mit immer schwererer Zunge spricht, all das ist Humor, der bestens ins Ohr geht.

Hier läuft „Dinner for one“ als Hörfilm

Wenn ihr euch selbst einen Eindruck machen wollt, wie „Dinner for one“ mit Audiodeskription auf euch wirkt, dann schaltet doch einfach mal ein. Mit Hörfilm läuft der Sketch zum Beispiel:

  • Um 11:00 Uhr im Ersten

  • Um 15:40 im NDR

  • Um 18:00 Uhr im WDR

  • Und um 23:35 Uhr nochmal im NDR.

Wie ihr an eurem TV-Gerät den Zweikanalton für die Hörfilmspur einstellen könnt, erfahrt ihr z.B. auf Hörfilm.info.

Und noch was klassisches für die Augen

„Dinner for one“ ist übrigens nicht der einzige Sketch, den man „sehen muss“, um über ihn lachen zu können. Mir persönlich fallen da z.B. schnell die chaotischen Episoden um Mr. Bean ein. Oder nehmt Loriot. Schaut euch mal diesen Klassiker an und denkt euch die (für mich unsichtbare) Nudel weg.

In eigener Sache: „Dinner for one“ auf hessisch

Zum Abschluss noch ein lokalpatriotischer Hinweis in eigener Sache: Im HR-Fernsehen läuft „Dinner for one“ um 17:45 Uhr „uff hessisch“, und dann nochmal um 18:45 Uhr in nordhessischem Dialekt.

2 Gedanken zu „Darf ich mitlachen?: Über „Dinner for one“ und Witze die man sehen muss“

  1. Ich als Geburtsblinder kann die in diesem Beitrag vertretene Ansicht leider überhaupt nicht teilen. Immer habe ich aufgrund dieses Artikels den Raum verlassen, während meine sehenden Mitmenschen den Sketch geschaut haben, bis ich mir Ablauf und Gags in der Wikipedia durchlas und anschließend den Sketch schaute. Ich habe Tränen gelacht, weil bei mir das innere Kopfkino prima das ergänzte, was an visuellen Botschaften durch James rübergebracht wurde. Also, liebe Blinden, nicht immer sind wir auf Inklusionsangebote angewiesen – man muss nur wissen, wo und wie man sich Rat holen kann.

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