Stellt euch vor, es ist Feierabend und jemand hält die Tür zu! WDR 3 bringt ab Dienstagabend ein bitterböses satirisches Hörspiel von Pubertier-Autor Jan Weiler. Und probiert damit gleich ein neues Sendekonzept für Hörspiele aus. Die Radio-HörLights berichten.
Fabian Prohaska fehlt ein Punkt. Ein Punkt zur Abiturzulassung. Sein Vater greift zum äußersten Mittel: Er bedroht sechs Lehrer mit der Waffe.
Die Pädagogen, die sich an diesem friedlichen Freitagnachmittag noch zufällig im Lehrerzimmer aufhalten, sollen dem Schüler den fehlenden Punkt zusprechen – freiwillig versteht sich, nach einer mit Waffengewalt erzwungenen Konferenz. Ein verzweifelter Plan, der natürlich nicht reibungslos aufgeht.
Ein Zimmer voller Lehrer, und vor der Tür ein Mann mit geladener Waffe. Das sind die Grundzutaten für das Hörspiel „eingeschlossene Gesellschaft“, dass am Dienstag um 19 Uhr auf WDR3
Premiere hat.
Geschrieben wurde das Hörspiel von keinem geringeren als Jan Weiler, Autor von Bestsellern wie „Maria, ihm schmeckts nicht“ und vor allem dem „Pubertier“, dass letztes Jahr im Kino und als Fernsehserie großen Erfolg hatte. Jan Weiler ist übrigens auch selbst im Hörspiel zu hören – er spielt den Vater.
Neues Format: Hörspiel in Fortsetzungen
Mit diesem Hörspiel startet der WDR gleichzeitig in ein neues Sendeformat für lange Hörspiele. Bisher hatte der WDR keinen festen Platz für Hörspielproduktionen, die länger sind als eine knappe Stunde. Gemeint sind nicht unbedingt mehrteilige Produktionen, sondern Hörspiele, die von sich aus einfach länger angelegt sind. Die üblichen plus minus 54 Minuten sind ja nicht der Dramaturgie geschuldet, sondern eher dem Sendeplan.
Solchen Produktionen will man beim WDR wohl offensichtlich mehr Raum geben. Das tut man aber nicht, indem man einen neuen großen Sendeplatz schafft. Stattdessen sollen Hörspiele mit „Überlänge“ ab sofort unter der Woche in abendlichen Fortsetzungen gesendet werden.
Von Montag bis Donnerstag ist auf WDR 3 ab 19 Uhr nun jeweils ein halbstündiger Hörspieltermin vorgesehen. Hier können sowohl Kurzhörspiele laufen als auch längere Produktionen wie das Weiler-Hörspiel. Ursprünglich hat „eingeschlossene Gesellschaft“ eine Länge von 110 Minuten. Daraus werden jetzt drei kleinere Portionen, die in dieser Woche Dienstags, Mittwochs und Donnerstags gesendet werden.
Stückwerk oder Serienfieber?
Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich dieses Konzept gut finde. Klar, eine in Fortsetzungen erzählte Geschichte hat immer ihren Charme. Die erfolgreichsten Podcastformate arbeiten heute mit regelmäßigem Erscheinungsrhythmus, eher kurzen Episoden und oft einer episodenübergreifenden Geschichte – etwa bei einem Format wie dem englischen Serial. Und auch die populärsten Hörspiele wurden seinerzeit in etwa halbstündigen Fortsetzungsepisoden ausgestrahlt – ich denke an Krimiserien wie „Paul Temple“.
Allerdings: Das war in den 50er Jahren. Ich habe Zweifel, ob man heute am Radio noch einen ähnlichen Serieneffekt aufbauen kann. Viele der älteren Hörspiele waren außerdem direkt auf ihre Ausstrahlung in Episoden hingeschrieben. Zerteilt man nachträglich längere Hörspiele, schafft man künstliche Bruchstellen. Das tut dem Gesamtwerk längst nicht immer gut.
Und doch: Selbst das kann manchmal gerade reizvoll sein. Ein künstlicher Umbruch kann auch eine ganz eigene neue Dramatik schaffen und interessante Akzente setzen. Letztlich bleibt abzuwarten, was der WDR aus diesem neuen Konzept herausholt. Es birgt auf jeden Fall viele Möglichkeiten. Trotzdem hoffe ich, dass die längeren Hörspiele nach wie vor in ihrer Gesamtheit verfügbar bleiben – am besten im WDR Hörspiel-Speicher.
„Eingeschlossene Gesellschaft“ von Jan Weiler. Dienstag, Mittwoch und Donnerstag, jeweils ab 19 Uhr auf WDR3 hier live hören. Gesamtlänge: 110 Minuten, gesendet in 3 Teilen.