Ein Notizbuch, mit dem du töten kannst. Wirst du damit die Welt verändern oder macht es dich zum größten Serienkiller aller Zeiten? Die packende zwölfteilige Hörspielserie Death Note ist ein Horrorthriller vom feinsten – actionreich wie „Mord in Serie“, abgründig wie „Breaking Bad“ und trotzdem ganz anders. Das überraschendste an diesem Ausnahmehörspiel ist aber die Vorlage. Toll dass man sich sowas noch traut.
Killer kommen mit Mord davon. Drogenhändler verticken Gift an Kinder. Die Welt versinkt in ihrem eigenen Müll. Mit diesen Sätzen schreibt sich Light Yagami, hochbegabter Junge aus Tokio, zu Beginn von Death Note seinen Frust von der Seele. Nur der Weltschmerz eines Teenagers?
Absolut nicht. Denn Light hat die Macht, das alles zu ändern. Und genau das wird er tun. Weil sich Light eine gerechtere Welt wünscht. Und weil er es kann. Seit dem Tag, als er auf dem Schulhof das schwarze Notizbuch gefunden hat.
Zum töten reicht ein Name
Dieses Buch, das Death Note, ist Ausgangspunkt für eine Geschichte, wie ihr sie als Hörspiel mit Sicherheit noch nie erlebt habt. Die Grundregeln, nach denen das Death Note funktioniert, sind denkbar einfach:
- Jeder Mensch, dessen Name in dieses Buch geschrieben wird, stirbt.
- Auch die genauen Todesumstände lassen sich festlegen, indem man sie aufschreibt.
- Damit das Death Note Wirkung zeigt, muss einem der wahre Name und das Gesicht des Opfers bekannt sein.
Was könnte man mit so einem Notizbuch nicht alles anstellen! Zum Beispiel die Namen sämtlicher Mörder und Gewaltverbrecher notieren und damit die Welt ein für allemal von Kriminellen befreien. Oder zum größten Massenmörder aller Zeiten werden. Ersteres ist Lights Plan, letzteres gelingt ihm ganz nebenbei.
Katz-und-Mausspiel der Phantome
Schon bald werden die Behörden auf den mysteriösen Phantomkiller aufmerksam, der auf unerklärliche Weise weltweit mutmaßliche Verbrecher tötet. Dass der Polizist, der in Tokio die Ermittlungen leitet ausgerechnet Lights Vater ist, macht die Sache nicht eben einfacher.
Besonders ein Ermittler mit dem kryptischen Namen „L“ heftet sich an Lights Fersen. Ihn allein kann Light nicht so einfach „ausradieren“, denn niemand kennt L’s richtigen Namen oder hat je sein wahres Gesicht gesehen. So beginnt zwischen den beiden ein erbarmungsloses Katz-und-Mausspiel, bei dem beide über Leichen gehen …
„Mord in Serie“ meets „Breaking Bad“
Die Hörspielserie Death Note erscheint seit Ende Oktober bei Lübbe Audio. Obwohl die Geschichte in Tokio angesiedelt ist, kommt sie nicht übermäßig exotisch rüber: Mit schwierig zu merkenden japanischen Namen muss man sich z.B. kaum herumschlagen. Eigentlich könnte Death Note auch in New York oder Berlin spielen. Die Geschichte ist so stark, dass sie universell funktioniert und die Umsetzung als Hörspiel schafft eine rasante, urbane Atmosphäre.
Von ihrer Anmutung her hat mich Death Note ein wenig an die Hörspielreihe „Mord in Serie“ erinnert. Von dieser Serie, die actionreiche Krimis in abgeschlossenen Folgen bietet, hat Death Note das Tempo und die harten Schnitte. Dazu kommt die düstere Abgründigkeit der TV-Serie „Breaking Bad“ – auch hier will jemand im Grunde gutes tun und wird dadurch selbst böse.
Trotzdem hat Death Note noch einen ganz eigenen Ton. Einen Erzählstil, wie er für Hörspielserien bisher eher unüblich war. Der Grund dafür ist die Vorlage, auf der die Serie basiert: Death Note ist im Original kein Buch und keine Fernsehserie, sondern ein Manga.
Mangas – mehr als nur Comics
Mangas sind im Grunde nichts anderes als japanische Comics. Wer aber jetzt denkt, Mangas seien schlicht Asterix oder Superman auf japanisch, der irrt. In Japan haben Mangas einen viel höheren Stellenwert, als es selbst die beliebtesten Comics bei uns je hatten. Es gibt Mangas für sämtliche Altersstufen und Zielgruppen und zu wirklich allen vorstellbaren Themen. In Japan erzählen Mangas nicht nur Geschichten, sie informieren auch und geben Wissen weiter – von Manga-Anleitungen über traditionelle Kampfkunst und Teezeremonie bis zu Rezepte-Mangas für die Hausfrau.
In der westlichen Welt am bekanntesten sind die sogenannten Storymangas, die ähnlich wie unsere Comicserien Geschichten in Fortsetzungen erzählen. Diese Bildergeschichten sind einer der wichtigsten Exportschlager der japanischen Kultur. Auch in Deutschland werden sie längst verschlungen. Wohl auch, weil die in den Mangas erzählten Geschichten meist viel komplexer und überraschender sind, als die doch eher eindimensionalen Superhelden-Comics. Eine fortlaufende Manga-Story kann es schon mal auf mehrere tausend Seiten bringen. Genug epische Breite, damit die Figuren sich entwickeln können und die Handlung jede Menge Tiefgang erhält.
Sehende denken bei Mangas sicherlich an Phantasiefiguren mit kleinen Nasen und übergroßen, ausdrucksstarken Augen. Ihrer japanischen Herkunft entsprechend werden Manga-Hefte außerdem von hinten nach vorne und von rechts nach links gelesen. Besonders erfolgreiche Mangas werden oft auch als sogenannte Animes umgesetzt, also als Zeichentrickfilmserien im japanischen Stil. Ich nehme an, die meisten Blinden dürften nicht viel konkretes mit Mangas verbinden, da für uns diese Bildergeschichten genau wie Comics nur schwer zugänglich sind.
Zumindest für „Death Note“ hat sich das jetzt geändert.
Erwachsen und realistisch, aber mit Todesgott
Entsprechend der zugrundeliegenden Manga-Vorlage wird auch das Hörspiel zwölf Teile umfassen. Jeder Teil wird voraussichtlich knapp eine Stunde lang sein. Also auch hier eine Menge Zeit, um eine starke Geschichte mit differenzierten Charakteren auszuerzählen.
Wer jetzt unangenehme Befürchtungen in Richtung Pokemon oder Sailor Moon hat, den kann ich beruhigen: In Death Note geht es weder um Mädchengruppen, die sich mit magischen Glitzersteinen in Mondkriegerinnen verwandeln, noch um riesige, aufeinander eindreschende Kampfroboter. Längst nicht alle Mangas sind was für Kinder. Und auch die Hörspielserie erzählt eine Geschichte für Erwachsene: Hart und blutig, zuweilen etwas überzeichnet (es bleibt trotz allem ein Comic), aber immer extrem realistisch – manchmal sogar beklemmend lebensnah.
Das schließt ein paar phantastische Elemente nicht aus. Zu dem magischen Notizbuch des Todes gibt es – sozusagen gratis – noch Ryuk dazu: Einen waschechten Totengott, der meist nur für den Besitzer des Death Note sichtbar ist. So ist Light auch der einzige, der die bissigen Kommentare des Todesengels hören kann. Abgesehen vom Hörspielhörer natürlich. Und das ist ein Segen, denn der diabolische Ryuk und seine schadenfrohen Bemerkungen sind ein absolutes Highlight und verantwortlich für viele Momente besten schwarzen Humors.
Als Download bei Lübbe Audio und Amazon
Bei Lübbe Audio sind bisher die ersten drei Folgen von Death Note erschienen. Dort kann man sie als CD bestellen oder downloaden, genau wie über Amazon. Folgen 4-6 sind für Ende November angekündigt.
Für mich ist Death Note die spannendste Hörspiel-Neuerscheinung in diesem Jahr. Auch weil sie ein Medium umsetzt, mit dem gerade blinde Hörer nur selten in Berührung kommen. Man muss aber weder Manga- noch Animefan sein oder irgendwas mit Japan am Hut haben, um Death Note so richtig genießen zu können. Und spätestens danach wird man sich zweimal überlegen, was man von seiner Identität öffentlich preisgibt. Denn: Schon ein Name und ein Gesicht reichen für eine fatale Notiz im Death Note.
2 Gedanken zu „Ausradiert: „Death Note“ – ungewöhnlichste Hörspielserie des Jahres“